… sie definiert ihre Spielräume – verbindlich!

In der Welt am Sonntag vom 3. Mai 2020 hat Kanzleramtsminister Prof. Dr. Helge Braun geäußert, er verstehe es als Herausforderung, wenn sich Gerichte auf den Gleichheitssatz beriefen, um einzelne Maßnahmen aufzuheben oder zu modifizieren. Es sei rechtlich unproblematisch gewesen, alles zu schließen. Bei dem derzeitigen Versuch der schrittweisen Öffnung des Alltagslebens könne es nicht immer eine absolute Gleichberechtigung aller gesellschaftlichen Bereiche geben, weil das Vorgehen schrittweise sei. Diese Aussagen können nicht ohne Widerspruch bleiben.

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STELLUNGNAHME ZUM THEMA

Grundrechtseinschränkungen zur Eindämmung der Covid-19-Epidemie

AUTOR

Dr. Robert Seegmüller
(Vorsitzender)

VERÖFFENTLICHT AM

05. Mai 2020

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Mit der Verwendung des Wortes Herausforderung erweckt der Kanzleramtsminister den Eindruck, die mit der Entscheidung von Eilanträgen und Klagen gegen Grundrechtseinschränkungen zur Eindämmung der Covid-19-Epidemie befassten Gerichte forderten die Regelungs- und Gestaltungsautorität der Exekutive heraus; machten sie ihr gar streitig. Wer diese Aussage vor dem Hintergrund der derzeit immer wieder geäußerten Forderung betrachtet, in der Krise müssten alle zusammenhalten und sich solidarisch zeigen, um diese möglichst gut zu bewältigen, kann sie nur als unangemessene Kritik an den ergangenen Entscheidungen verstehen; auch wenn zuvor Verständnis und Akzeptanz hinsichtlich der Entscheidungen geäußert wird. Die Aussage rückt die Rolle der Justiz bei der Krisenbewältigung in ein falsches Licht. Ihr kommt nicht die Aufgabe zu, mit der Exekutive in der Krise in einen Wettstreit darüber einzutreten, wer das bessere Konzept zu ihrer Bewältigung hat. Ihr kommt vielmehr – wie sonst auch – die Aufgabe zu, die Einhaltung der Grenzen der Regelungs- und Gestaltungsmacht der Exekutive zu überprüfen und deren Überschreitung gegebenenfalls festzustellen. Eine Gerichtsentscheidung, die eine behördliche Maßnahme zur Eindämmung der Covid-19-Epidemie beanstandet, ist daher keine Herausforderung der Exekutive durch die Judikative, sondern die schlichte Feststellung, dass mit der Maßnahme – auch unter Berücksichtigung der derzeitigen Ausnahmesituation – eine rechtlich verbindliche Grenze überschritten wurde, die nicht hätte überschritten werden dürfen. Unser Rechtsstaat – und insbesondere das Grundgesetz und die Verfassungen der Länder – beanspruchen auch und gerade in der Corona-Krise Gültigkeit.

Berlin, den 4. Mai 2020

Dr. Robert Seegmüller
(Vorsitzender)