Stellungnahme des BDVR zu einer Gefährdung der Unabhängigkeit der Justiz durch persönliche Angriffe auf Richterinnen und Richter

THEMA

Gefährdung der Unabhängigkeit der Justiz durch persönliche Angriffe auf Richterinnen und Richter

AUTOR

Für den Vorstand des BDVR
Dr. Karoline Bülow

VERÖFFENTLICHT AM

08. Juli 2025

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Nach einer asylrechtlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin im Mai 2025 sind die Richterinnen und Richter der zuständigen Kammer persönlich massiv angegriffen worden. Verschwörungstheorien zu einer angeblichen Unzuständigkeit der Kammer kursierten im Internet. Der Verein der Berliner Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter und viele andere haben dies scharf verurteilt.

Leider zeigen ähnliche Vorfälle in der jüngeren Vergangenheit, dass es sich hierbei nicht um einen bedauerlichen Einzelfall handelt, der sich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin beschränkt. Auch aus anderen Bundesländern wird immer wieder und in letzter Zeit vermehrt von persönlichen Angriffen auf Richterinnen und Richter berichtet. Es ist selbstverständlich und daher eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass gerichtliche Entscheidungen in der Sache kritisiert und alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgenutzt werden können und sollen. Um eine sachliche Kritik geht es jedoch nicht. In den persönlichen Angriffen liegt ein beunruhigender und für den Rechtsstaat gefährlicher Trend, der insbesondere zwei Ziele verfolgt: Die öffentliche Diffamierung der Justiz und die Einschüchterung der Richterinnen und Richter.

So stehen bei den Angriffen scheinbar nur die angegriffenen Richterinnen und Richter und nicht die Gerichte oder die Justiz als solche im Fokus. Dieser Eindruck täuscht. Das eigentliche Ziel dieser Kampagnen ist es, die Legitimität der jeweiligen Gerichte und deren Entscheidungen in Frage zu stellen. Es reichen nur wenige mediale Ereignisse dieser Art, um in Teilen der Bevölkerung das Gefühl zu erwecken, dass es in der deutschen Justiz nicht mit rechten Dingen zugehe. Sind diese Zweifel erstmal gesät, ist es zukünftig deutlich leichter, in die Justiz einzugreifen oder gerichtliche Entscheidungen zu ignorieren, ohne dass dem zu viel Protest aus der Bevölkerung entgegenstünde. Beispiele aus anderen Ländern belegen dies.

Darüber hinaus führen die persönlich gestalteten Angriffe zu einer Einschüchterung der Richterinnen und Richter. Wer politisch umstrittene Entscheidungen trifft – und von diesen gibt es gerade in der Verwaltungsgerichtsbarkeit viele – muss nunmehr damit rechnen, dass seine Vita sowie alles, was im Internet jemals mit Bezug zu seiner Person veröffentlicht wurde, in den Medien ausgeschlachtet wird. Bislang war anerkannt und akzeptiert, dass Richterinnen und Richter auch eine politische Meinung haben und sich gesellschaftlich und politisch engagieren können. Es ist der Inbegriff des richterlichen Berufsethos, die eigene Meinung von dem geltenden Recht zu trennen. In der Bevölkerung herrscht bislang Konsens, dass Richterinnen und Richter fähig sind, dies zu leisten. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Qualität der juristischen Ausbildung und die hohen Hürden für den Berufseinstieg als Richterin oder Richter. Neben hervorragenden fachlichen Qualifikationen werden in den Auswahlverfahren und in der Probezeit gerade auch die Fähigkeit geprüft, unabhängig Entscheidungen zu treffen. Die persönlichen Angriffe auf Richterinnen und Richter sind dazu bestimmt, dieses Selbstverständnis in Frage zu stellen. Sie lassen politische oder gesellschaftliche Betätigungen zukünftig mindestens riskant erscheinen. Auf der sicheren Seite steht der gesichtslose Richter, der niemals öffentlich in Erscheinung getreten oder sich geäußert hat. Dies kann jedoch nicht im Sinne einer unabhängigen Justiz sein.

Vor diesem Hintergrund fordert der BDVR, persönliche Angriffe auf Richterinnen und Richter als das zu erkennen, was sie sind: Ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz und damit auf unseren Rechtsstaat. Auf lange Sicht schadet dies allen Menschen in Deutschland unabhängig von ihrer politischen Couleur. Es ist jetzt dringend notwendig, zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren: Diese erlaubt selbstverständlich auch harte Kritik an gerichtlichen Entscheidungen – aber keine persönlichen Angriffe auf Richterinnen und Richter!

Für den Vorstand des BDVR
Dr. Karoline Bülow

Berlin, den 08. Juli 2025